„Ich sitze am Fenster und schaue heraus …“ – so beginnt ein Lied auf einer Weihnachts-CD. Klingt das für Sie auch seltsam? An sich ist die Bedeutung ja klar: Da sitzt einer am Fenster und guckt nach draußen. Und genau da haben wir auch schon den springenden Punkt: Er guckt nach draußen – also in eine Richtung, die von ihm wegweist. Und damit müsste es heißen: „Ich sitze am Fenster und schaue hinaus.“ Stünde ich wiederum im Garten und würde denjenigen beschreiben, der da am Fenster sitzt und in den Garten hinausschaut, so würde ich selbstverständlich sagen: „Er sitzt am Fenster und schaut (zu mir) heraus.“ Ganz richtig drückt sich da der Königssohn im Märchen von Rapunzel aus, als er sagt: „Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!“ Rapunzel wiederum lässt ihren Zopf zu ihm hinunter. Wenn also etwas vom Sprechenden wegweist, muss er das Präfix „hin“ verwenden – weist die Bewegung zu ihm hin, nutzt er „her“. Wenn jemand an Ihre Tür klopft, sagen Sie doch auch nicht „Hinein!“, oder?
Ein gutes neues oder ein gutes Neues Jahr wünschen?
Manche Neuregelungen des Rats für deutsche Rechtschreibung sind nicht ganz nachvollziehbar. In seinem dritten Bericht (http://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_Bericht_2011-2016.pdf) hat sich das Gremium, das die Regeln zur Rechtschreibung festlegt und immer wieder überarbeitet, noch einmal der Frage angenommen, wann Adjektive in bestimmten Fügungen großgeschrieben werden dürfen. Und da taucht nun auch das „neue/Neue Jahr“ auf, wenn es um die guten Wünschen dafür geht (bisher musste „neu“ immer kleingeschrieben werden).
Das mutet seltsam an, weil das neue Jahr ja nicht ein bestimmtes Ereignis (wie die goldene/Goldene Hochzeit) oder ein bestimmter Feiertag (wie der Heilige Abend) ist, sondern weil damit einfach das unmittelbar bevorstehende oder gerade begonnene Jahr gemeint ist, das schon nach einigen Wochen kein neues mehr sein wird. Es handelt sich also nicht um den Eigennamen dieses speziellen Jahres, und nur dies würde unseres Erachtens eine Großschreibung des Adjektivs rechtfertigen.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen nun kein gutes „Neues Jahr“, sondern ein gutes neues Jahr, das Ihnen viel Freude bringen möge.
Haben auch Sie Fragen zur deutschen Rechtschreibung, Zeichensetzung oder Grammatik? Schreiben Sie uns: info@textplusdesign.de